Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) bildet eine Forschungsinfrastruktur in Sachsen, die auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden Forschungsdesiderate über demokratiefeindliche Einstellungen, Strukturen und Bestrebungen bestimmt und über Dokumentationen und Untersuchungen diese Wissenslücken schließt. Im Vordergrund stehen dabei verschiedene Formen der Diskriminierung, die Strategien und Dynamiken rechts-autoritär motivierter Bündnisse und die Stärkung demokratischer Politik.

Das EFBI ist als eigenständige Forschungseinheit im ReCentGlobe etabliert und administrativ angebunden. Geleitet wird das vom Freistaat Sachsen geförderte Institut vom bundesweit renommierten Sozialforscher Oliver Decker, der seit 20 Jahren die Leipziger Autoritarismus-Studien durchführt.

Die Forschung am EFBI verfolgt einen sozialraumnahen Ansatz und berät Kommunen sowie zivilgesellschaftlich aktive Gruppen. Dafür bereiten die Wissenschaftler:innen gezielt vorhandenes Wissen auf. Ihr Bestreben ist es, ein Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen Akteur:innen aufzubauen und diese in die partizipative Forschung, welche sowohl auf die Stärkung der Zivilgesellschaft durch Solidarität und Allianzbildung hinarbeitet, mit einzubeziehen. Damit wollen die am EFBI tätigen Forscher:innen die Fähigkeiten demokratischer Institutionen stärken, um auf die Herausforderungen des Rechtsextremismus besser reagieren zu können.

Eine weitere wichtige Säule ist die kontinuierliche Beobachtung rechtsextremer Strukturen und Social-Media-Aktivitäten. Die so erworbenen und fortlaufend erneuerten Kenntnisse werden der allgemeinen Öffentlichkeit, für Kommunen, kommunale Akteur:innen, Zivilgesellschaft und andere Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Das EFBI berichtet regelmäßig in eigenen Publikationen, insbesondere in einem Jahresbericht, über die gewonnenen Erkenntnisse. Daneben werden Veranstaltungen und Veröffentlichungen in verschiedenen Medien genutzt, um über die Arbeit zu informieren und Debatten zu initiieren.

Else Frenkel-Brunswik – Die Namensgeberin

Else Frenkel wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Lemberg, heute Lwiw, Ukraine, geboren. In Folge von Pogromen und des Antisemitismus übersiedelt ihre jüdische Familie 1914 nach Wien, wo sie aufwuchs, nach der Matura ein Studium der Mathematik und Physik begann und ein Studium der Psychologie anschloss. Nach dem Studium war sie am Institut für Psychologie im Forschungsbereich „Autobiographische Forschung“ beschäftigt. Nach dem Einmarsch Nazi-Deutschlands in Österreich floh Else Frenkel 1938 in die USA und begann an der University of California in Berkeley ihre Tätigkeit als Senior Lecturer. In den USA heiratete sie den ebenfalls aus Wien emigrierten Egon Brunswik. Else Frenkel-Brunswiks Forschungsschwerpunkt wurde der Antisemitismus, und sie war maßgeblich an den ab 1944 in Berkley durchgeführten „Studies in Prejudice“ beteiligt. Sie leitete neben dem ebenfalls in die USA ausgewanderten Sozialphilosophen Theodor W. Adorno, dem Sozialpsychologen Nevitt Sanford und dem Psychiater Daniel J. Levinson die Studien „The Authoritarian Personality“. Mit der Benennung des Instituts schließen die Leipziger Wissenschaftler an die von ihr mitbegründete Tradition der Vorurteilsforschung an.

Demokratie-feindliche Einstellungen erforschen

Die Forschung am Else-Frenkel-Brunswik-Institut setzt sich aus drei Feldern zusammen: der Einstellungsforschung, der Forschung in Konflikträumen und der Dokumentation antidemokratischer Netzwerke.

Das EFBI unterstützt mit seiner Forschung die sächsische Zivilgesellschaft. Es verfolgt dafür das Ziel, sämtliche Formen der Demokratiefeindlichkeit zu erforschen und die sächsische Gesellschaft über autoritäre und anti-moderne Themen, deren Verbreitung und Organisierung, sowie über antidemokratische Bewegungen zu informieren. Die Forschung basiert dabei auf drei sich gegenseitig ergänzenden Feldern.

Einstellungsforschung

Grundlage der Forschung sind bevölkerungsrepräsentative Erhebungen, die im festen Turnus durchgeführt werden. Hierfür schließen die Forscherinnen und Forscher des EFBI an die Leipziger Autoritarismus Studien an, einer bundesweiten Einstellungsuntersuchung im Zweijahresrhythmus, die seit 2002 von Oliver Decker, dem Direktor des EFBI, und dem Sozialpsychologen Elmar Brähler verantwortet wird. So sollen auf repräsentativer Basis Aussagen zur Verbreitung und Ausprägung antidemokratischer Einstellungen in Sachsen geboten werden und sie auch im Vergleich zur gesamten Bundesrepublik interpretiert werden. Weiterführende Analysen für den Freistaat werden so möglich sein. Zusätzlich greift das Team auf bereits bestehende sowie geplante Erhebungen zurück (z.B. Sachsenmonitor, Allbus, NEPS, ESS).

Forschung in Konflikträumen

Das EFBI setzt auf eine sozialraumnahe, partizipative Forschung mit aktivierendem Schwerpunkt. Das bedeutet, dass zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure aus Sachsen als Expertinnen und Experten ihres Alltags bei der Formulierung der Forschungsfragestellung einbezogen werden und die gewonnenen Erkenntnisse in einer kommunikativen Validierung mit ihnen überprüft werden. Ziel ist es, die Bedingungen demokratisch-politischen Handelns zu untersuchen, autoritäre Mobilisierungsstrategien zu analysieren, das Zustandekommen und die sozialpsychologische Funktion antimoderner Ideologien zu verstehen und die Handlungsfähigkeit der demokratischen Initiativen vor Ort zu erhöhen. Die Forschung in ausgewählten Konflikträumen knüpft deshalb an bestehende zivilgesellschaftliche Strukturen an, teilweise auch an schon bestehende Forschung.

Internet-Monitoring und Dokumentation

Das Monitoring und die Dokumentation antidemokratisch motivierter Vorfälle stellt eine wesentliche Säule der Forschungsaktivitäten des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts dar. Das Monitoring bezieht sich dabei unter anderem auf den digitalen Raum. Ziel ist es, Rechtsextreme Netzwerke und Strukturen im Internet zu beobachten und zu erfassen. Im Fokus stehen dabei Social-Media-Aktivitäten von rechten Personen und Gruppierungen aus Sachsen. Das Social-Media-Monitoring wird im Auftrag des EFBI durch die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) durchgeführt.

Darüber hinaus werden landesweit Mobilisierungen und Netzwerke beobachtet, zum Beispiel die rechtsextreme Musikszene, die Kampfsportszene oder lokale Neonazistrukturen. Dafür werden Informationen aus der Zivilgesellschaft gebündelt. In Abstimmung mit weiteren bestehenden Strukturen und Dokumentationssystemen werden Informationen über rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Vorfälle gesammelt und aufeinander bezogen. Die aus dem Monitoring und der Dokumentation gewonnenen Informationen werden lokalen Entscheidungsträgern, Initiativen und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Projekte

Das Forschungsprojekt „Politischer Protest in der Oberlausitz“ beschäftigt sich mit verschiedenen Formen zivilgesellschaftlichen und politischen Protests in sächsischen Regionen, der Schwerpunkt liegt auf der sächsischen Oberlausitz. Die Hintergrundfolie bilden dabei spezifische Strukturmerkmale: Nach dem sich viele Landesteile von den Umbrüchen nach 1989 zu erholen begannen, ist Sachsen nun vor die Herausforderungen eines erheblichen Strukturwandels durch den geplanten Kohleausstieg 2038 gestellt. Das Projekt verfolgt das Ziel, die Zusammenhänge aktueller und vergangener politischer Krisen mit politischem Protest in ihrer lokalen Spezifik, aber auch in ihren verallgemeinerbaren Dynamiken zu verstehen. Die Oberlausitz stellt dabei eine Referenzregion der Forschung dar.

Durch das 2019 beschlossen Ende des Bergbaus ist die Oberlausitz als eine der drei letzten Kohleregionen immer wieder ins Zentrum der Öffentlichkeit gerückt. Strukturbrüche und Transformationserfahrungen prägen diese kulturell sehr vielfältige Region allerdings schon seit 1989. Früher wichtigster Energielieferant für die DDR, erlebte die Oberlausitz mit der Wende abrupt eine starke Deindustrialisierung mit Rückbau der dortigen Kohle-, aber auch Glas-, Stahl- und Textilindustrie, Verlust von Arbeitsplätzen, massive demografische Abwanderung in urbanere Räume und den Westen, sowie eine generelle Abwertung Oberlausitzer und ostdeutscher Biografien. Nun steht die Region erneut vor weitreichenden, wenn auch langsameren Veränderungen. Mit dem endgültigen Kohleausstieg 2038 droht ein doppelter Verlust (vgl. Retkowski, 2021): Zum einen der Verlust des ökonomischen Stabilitätsankers, den die Braunkohlbergbau und -verstromung für die Region darstellt: Tarifgebundene Löhne, Bruttoeinkommen über dem ostdeutschen Durchschnitt und qualifizierte Ausbildungsgänge in der Kohleindustrie sicherten relativen Wohlstand und Sicherheit. Zum anderen der Verlust mit dem Bergbau verbundener identitätsstiftender Lebens- und Arbeitsweisen. Die Oberlausitz soll sich zur „europäischen Modellregion für den Strukturwandel“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020) entwickeln und diese Aufgabe - sowohl an die Wirtschaft als auch die Bevölkerung - wird durch Strukturstärkungsgesetze abgefedert. Mit ihnen sollen Verluste aufgefangen und neue Möglichkeiten ökonomischer, sozialer und ökologischer Entwicklung geschaffen werden. Geplant sind Ansiedelung von Behörden, Forschungsinstituten, Ausbau der Infrastruktur (in den Bereichen Gesundheit, Verkehr, Bildung), aber auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Bei der Bevölkerung stößt dieser Strukturwandel und die Wortwahl „Modellregion“ eines vorbildlichen energiewirtschaftlichen Strukturwandels zu werden vor dem Hintergrund von über 30 Jahren Umbruchserfahrung zum Teil auf Skepsis und geringe Offenheit für weiteren Wandel in der Region. Von staatlicher Seite ist deren Mitgestaltung der Transformation in Beteiligungsprozessen zumindest angestrebt, die Bedeutung einer lebendigen Zivilgesellschaft wird explizit betont. Vor dem Hintergrund entsprechender Anspannungen ist es interessant, sich vergangenes und aktuelles zivilgesellschaftliches Engagement und politische Protestbewegungen in der Oberlausitz anzuschauen. Auch wenn in der DDR (gemeinwohlorientiertes) Engagement eher im Rahmen staatlicher Massenorganisationen oder angegliedert Betriebe stattfand und eigenständige Formen oft Restriktionen anheimfielen (vgl. Staemmler et al. 2020), waren es dennoch oppositionelle Bürgerbewegungen und Massenproteste die schlussendlich die DDR zu einem Ende führten. Als gegenwärtig relevant sind hier einerseits direkt auf den Strukturwandel bezogene Protest-Initiativen zu nennen: Demonstrationen der Industriegewerkschaft Bau Chemie Energie, die fordern den geplanten Ausstieg 2038 nicht vorzuverlegen oder Bürgerinitiativen, die den Kohleausstieg gänzlich ablehnen sowie Aktionen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die jeden Abbau weiterer Braunkohle verhindern wollen und einen früheren Ausstieg zur Einhaltung der Klimaziele fordern. Andererseits ist die Oberlausitz aktuell vor allem in der Corona-Pandemie Schauplatz von Protestgeschehen gegen Grundrechtseinschränkungen in der Corona-Pandemie, beispielsweise im Rahmen des sogenannten „Stillen Protests“ an der B96, die sich auch dezidiert gegen den Staat richten.

Zentral für das Projekt ist deshalb die Frage nach der Erfahrung von (sozialen, ökonomischen, kulturellen) Unsicherheiten und der Transformation sowie kurzfristiger Krisenereignisse, sowie deren Bedeutung für die politische Mobilisierung. Von besonderem Interesse ist dabei, wie kollektiv geteilte Erfahrungen von regionsspezifischen Konflikten, Umbrüchen oder Krisen und überregionale gesellschaftliche Widersprüche in der Oberlausitz verarbeitet werden, welche Bedürfnisse und Motive das dortige politische Engagement antreiben und welche Erwartungen an kollektive Handlungsfähigkeit damit verknüpft sind. Wie werden die verschiedenen Protestaktivitäten von den Oberlausitzerinnen und Oberlausitzern wahrgenommen und begleitet, welche Bedeutung wird ihnen zugeschrieben und welche Funktionen erfüllen sie für die Aktiven?

In diesem Rahmen sollen Gruppendiskussionen mit zivilgesellschaftlich engagierten, dem politischen Protest zugehörigen Personen, aber auch nicht-Beteiligten Anwohnenden der sächsischen Oberlausitz durchgeführt, qualitativ-sinnrekonstruktiv ausgewertet und unter der Berücksichtigung regional-spezifischer Bedingungen verstanden werden.

Literatur:

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020). Eckpunkte zur Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ für ein „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/eckpunkte-strukturwandel.pdf?__blob=publicationFile [Zugriff am 09.02.2022].

Retkowski, A. (2021). Die Lausitz als Modellregion einer nachhaltigen Transformation. Soziale Passagen13(1), 7-29.

Staemmler, J., Priemer, J., Gabler, J. (2020): Zivilgesellschaft im Strukturwandel. Vereine und Stiftungen in der Lausitz. - IASS Broschüre.

 

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Das EFBI untersucht die Zivilgesellschaft in Wurzen. Foto: Holm_Klim_pixabay.com

Die Stadt Wurzen im Landkreis Leipzig hat als ein Zentrum der sächsischen Neonazi-Szene überregionale Bekanntheit erlangt. Doch Wurzen ist auch Ort eines lebendigen und vielfältigen bürgerschaftlichen Engagements. Mit qualitativer, sozialraumbezogener Sozialforschung ergründet ein EFBI-Team, welche Gruppen aktiv versuchen, die Zukunft der Stadt und die politische Kultur vor Ort zu prägen, mit welchen Schwierigkeiten sie sich konfrontiert sehen und was sie antidemokratischen Dynamiken entgegensetzen können.

Seit den 1990er Jahren hat eine gewaltbereite Neonazi-Szene Wurzen den Ruf als rechtsextremes Zentrum in Sachsen eingebracht. Von außen betrachtet entsteht der Eindruck, dass eine extreme Rechte in der nordsächsischen Stadt seit knapp 30 Jahren kontinuierlich und mit ernst zu nehmenden Ambitionen um die politische Hegemonie kämpfen. Ihre Strukturen und Netzwerke konnten über lange Zeit wachsen. Sie sind politisch, ökonomisch und kulturell fest im Sozialraum Wurzen verankert. Sie prägen diesen mit lokalen Geschäftsnetzwerken und subkulturellen Angeboten für Jugendliche und sind durch Parteienbündnisse auch im Stadtrat vertreten. Mit Übergriffen gegen Andersdenkende und Geflüchtete, aber auch breiteren Mobilisierungen zu Themen wie Migration oder Anti-Corona-Maßnahmen machen sie immer wieder Schlagzeilen.

Vielfältige Zivilgesellschaftliche Gruppen sind in Wurzen aktiv

Dementgegen gibt es in Wurzen durchaus eine Reihe von Gruppen und Initiativen, die sich aktiv für das Zusammenleben in der Stadt engagieren. Sie reicht von Demokratieinitiativen und alternativ-politischen Zusammenschlüssen über Stadtentwicklungsinitiativen und Fachvernetzungen bis hin zu lokalgeschichtlich und kulturell engagierten Vereinen. In unserer Forschung nehmen wir diese zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure in den Blick. Auf Grundlage von Gruppendiskussionen und Interviews sollen ihre Perspektiven auf die Stadt und ihr Engagement nachvollzogen, aber auch mögliche Schwierigkeiten und Widersprüche deutlich werden, welche die alltäglichen Erfahrungen prägen. Was bedeutet zivilgesellschaftliches Engagement auf einem Terrain, dass durch rechtsextreme Mobilisierung teilweise „vermint“ scheint? Wie prägt diese Erfahrung die Aktiven, wie gehen sie mit ihr um?

Die Zivilgesellschaft gilt seit der Wiedervereinigung als demokratiepolitische Hoffnungsträgerin in der Bundesrepublik. Sie soll gesellschaftliche Innovation vorantreiben und die Demokratie insbesondere gegen die Bedrohung durch rechts-autoritäre Bewegungen stärken. Diese politische Vision wird am Beispiel Wurzen untersucht, um Erkenntnisse zu gewinnen, die auch über den konkreten Fall hinaus die politische wie wissenschaftliche Debatte bereichern.

Darüber hinaus soll das Forschungsprojekt für die Aktiven vor Ort eine Reflexionsfläche bieten, welche die Dynamiken in der Stadt und die Erfahrungen der eigenen Praxis bewusstmachen kann. Ziel ist es daher auch, zur Stärkung der demokratischen Kultur in Wurzen beizutragen.

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In dem sozialraumnahen Forschungsprojekt werden gesellschaftliche Herausforderungen im Erzgebirge betrachtet. Foto: EFBI

Im Forschungsprojekt Emanzipatorische Handlungsräume und Antifeminismus im Erzgebirge werden zivilgesellschaftliche Einschränkungen und Herausforderungen aber auch solidarische wie feministische Handlungsmöglichkeiten unter regionalen Bedingungen betrachtet.

Antifeminismus ist ein gemeinsamer Nenner rechter Bewegungen und Parteien und und hilft diesen Brücken in die breite Bevölkerung zu bauen – im ländlichen und städtischen Raum, regional, überregional und international. Denn es handelt sich nicht allein um ein Thema der extremen Rechten. Antifeministische Dynamiken, etwa die „Lebensschutzbewegung“ im Erzgebirge, zeigen sich christlich-konservativ und damit anschlussfähig für weite Teile der Gesellschaft. Deshalb wird der Antifeminismus teils nicht als eine fundamentale Bedrohung des demokratischen Zusammenlebens erkannt. Antifeminismus richtet sich allerdings nicht nur gegen feministische Prozesse der Emanzipation und Demokratisierung, sondern steht gleichzeitig auch in einer engen Verbindung zu Rassismus und Antisemitismus.

Im Erzgebirge finden sich aber auch zivilgesellschaftlich Engagierte zusammen, die sich mit diesen anti-demokratischen und anti-emanzipatorischen Dynamiken kritisch befassen. Engagierte zeigen Probleme auf, formulieren Kritik, stellen Strukturen der Unterstützung von Frauen und LSBTIAQ+ zur Verfügung, stoßen Debatten über rechte und frauenfeindliche Gewalt an, entwerfen Forderungen und Gegenbewegungen.

Expertise der Zivilgesellschaft als Forschungsgegenstand 

Das besondere Interesse des Forschungsprojekts liegt auf der Expertise und den Perspektiven der vor Ort engagierten Zivilgesellschaft. Im Rahmen eines Fachtags sollen daher wissenschaftliche, journalistische und zivilgesellschaftliche Perspektiven vorgestellt und zusammen diskutiert werden. So werden auch die Forschungsfragen im Dialog mit den Engagierten vor Ort (weiter-)entwickelt.

Zentral ist die Frage danach, welche Bedeutung antifeministische Dynamiken für die Freiheit von Lebensentwürfen, für Prozesse der Demokratisierung und der Emanzipation in der Region und darüber hinaus haben. Im Forschungsprozess soll ein Reflexionsraum entstehen, in dem die Erfahrungen und Probleme im Umgang mit Antifeminismus verknüpft und diskutiert werden können. Zuletzt stellt sich auch die Frage nach den Möglichkeiten für ein freies, gleichberechtigtes und solidarisches Zusammenleben.

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Rira ist ein Verbundprojekt an den Standorten Braunschweig, Duisburg, Leipzig und Osnabrück und untersucht Radikalisierungsprozesse bei Jugendlichen. Foto: OĞUZHAN AKDOĞAN_unsplash.com

Im Projektverbund RIRA werden gesellschaftliche Polarisierung und wahrgenommene Bedrohungen als Triebfaktoren von Radikalisierungs- und Co-Radikalisierungsprozessen bei Jugendlichen und Post-Adoleszenten untersucht. Dafür werden unter anderem Jugendliche in Leipzig befragt.

Das Forschungsprojekt RIRA untersucht empirisch gestützt gesellschaftliche Aspekte einer Radikalisierungsspirale, die bislang nicht im Zusammenhang betrachtet wurden, und erarbeitet auf der Basis dieser Ergebnisse Präventionsmaßnahmen für den Bildungsbereich. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Welche kollektiven Interventionsansätze können bei der Radikalisierung und Co-Radikalisierung Jugendlicher und post-adoleszenter Musliminnen und Muslime ebenso wie bei Nicht-Musliminnen und Nicht-Muslimen identifiziert werden?

Teilprojekt am Else-Frenkel-Brunswick-Institut

RIRA ist ein Verbundprojekt an den Standorten Braunschweig, Duisburg, Leipzig und Osnabrück. Das Leipziger Projektteam unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Decker stellt sich die Unterfrage „Welche Dynamiken finden sich in den Bedingungen und der Bedeutung von Radikalisierung unter Einschluss der individuellen Sinn- bzw. Bedeutungsstrukturen?“ und beschäftigt sich innerhalb des Projektverbundes RIRA vorrangig mit der Auswertung von quantitativem Datenmaterial (Primär- wie Sekundärdaten) sowie der Durchführung und tiefenhermeneutischen Auswertung von Gruppendiskussionen und Interviews. Darüber hinaus liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der themenspezifischen Sekundärauswertung von Radikalisierung und Extremismus in den repräsentativen Bevölkerungsdaten der Leipziger Mitte Studien bzw. Leipziger Autoritarismus Studien seit 2002.

Das Projekt RIRA ist eines von vier Verbundprojekten, an denen das Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen beteiligt ist. Ziel der Forschung ist es, politische Einstellungen, Diskriminierung und sozialen Zusammenhalt in verschiedenen deutschen Großstädten zu untersuchen. In weiteren Projekten untersuchen die EFBI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler soziale Konflikte in den Projekten „Konfliktraum Hamburg“ sowie für den „Berlin Monitor“ die Kämpfe um Anerkennung und Teilhabe innerhalb der Berliner Stadtgesellschaft.

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Das Forschungsprojekt Berlin-Monitor untersucht die Berliner Stadtgesellschaft. Foto: Flo Karr_unsplash.com

Die Berliner Stadtbevölkerung ist ein Sammelbecken der Erfahrungen und gilt als Crucial Case einer modernen Stadtgesellschaft. Sie ist geprägt von Gegensätzen wie auch Gemeinsamkeiten, von Vielfalt und den Kämpfen um Teilhabe und Anerkennung.

Das Forschungsprojekt Berlin-Monitor untersucht politische Einstellungen der Berliner Bevölkerung, Diskriminierungserfahrungen und Abwertung gegenüber anderen, Möglichkeiten der Teilhabe und Politikdistanz sowie auch Erfahrungen der Anerkennung und gemeinsamer Handlungsmöglichkeiten. Damit diese umfassende Betrachtung und ein methodischer Austausch gelingen, arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts an der Universität Leipzig und der Hochschule Magdeburg-Stendal interdisziplinär eng zusammen und nutzen dabei unterschiedliche methodische Zugänge.

METHODISCHE ZUGÄNGE

Das vom Berliner Senat geförderte Projekt wird als eine Langzeitbeobachtung angelegt, die sowohl zeitlich wechselnde Themenschwerpunkte in den Blick nimmt als auch Entwicklungen über längere Zeiträume erfasst. Um den vielen Facetten der Untersuchungsgegenstände gerecht zu werden, wird ein triangulatives Forschungsdesign genutzt: Seit 2019 werden in regelmäßigen Abständen standardisierte Repräsentativbefragungen durchgeführt. Ergänzend zu der quantitativen Erhebung werden Interviews mit Expertinnen und Experten aus der progressiven Berliner Zivilgesellschaft und Akteurinnen und Akteuren, die die diversen Lebensräume der Stadt gestalten und beleben, geführt. Der dritte methodische Zugang des Berlin-Monitors umfasst die Durchführung von Gruppendiskussionen und die anschließende Anwendung der Tiefenhermeneutik zur Interpretation des Materials.

KRITISCHE STADTFORSCHUNG

Der Berlin Monitor ist eines von drei kritischen Stadtforschungsprojekten, an denen das Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen beteiligt ist. Ziel der Forschung ist es, politische Einstellungen, Diskriminierung und sozialen Zusammenhalt in verschiedenen deutschen Großstädten zu untersuchen. In weiteren Projekten untersuchen die EFBI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler soziale Konflikte im Projekt „Konfliktraum Hamburg“ sowie die Einstellung von Jugendlichen zu den Themen radikaler Islam, bzw. radikaler Anti-Islam in den Städten Braunschweig, Duisburg, Leipzig und Osnabrück im Projekt RIRA.

 

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zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Das Projekt "Konfliktraum Hamburg" untersucht gesellschaftliche Tendenzen der Polarisierung und Zuspitzung unter anderem anhand der Ergebnisse des G-20-Gipfels von 2017. Foto: TAMA66_PIXYBAY.COM
Das Projekt "Konfliktraum Hamburg" untersucht gesellschaftliche Tendenzen der Polarisierung und Zuspitzung unter anderem anhand der Ergebnisse des G-20-Gipfels von 2017. Foto: Tama66_pixybay.com

Im Zentrum des qualitativ ausgerichteten Forschungsprojekts steht die Frage, wie sich gesellschaftliche Tendenzen der Polarisierung und Zuspitzung politischer und sozialer Konflikte auch in der Stadtgesellschaft niederschlagen. Für die Untersuchung der Dynamik von Konflikt und Zusammenhalt in der Hansestadt werden beispielhaft die G20-Konfrontationen im Jahr 2017 und Antisemitismus in den Blick genommen.

Anhand von Gruppendiskussionen mit relevanten Akteursgruppen werden zum einen verschiedene Sichtweisen auf politischen Protest und die intensiv geführten Auseinandersetzungen der jüngeren Stadtgeschichte Hamburgs (wie z. B. beim G20-Gipfel 2017) untersucht. Konfliktlinien und Aushandlungsprozesse in Bezug auf politische Partizipation und Protest, aber auch alltägliche Konflikterfahrungen in der Großstadt sollen aus der Perspektive privater, zivilgesellschaftlicher und institutioneller Akteurinnen und Akteure nachvollzogen werden. Zum anderen beleuchtet die Studie Dynamiken von Diskriminierung und Abwertung im Zusammenleben sozialer Gruppen. Dabei werden Ressentiments und gruppenbezogene Abwertung als regressive Bearbeitung von Konflikten in modernen Gesellschaften in den Blick genommen.

KONFLIKTE DER STADTGESELLSCHAFT REFLEKTIERBAR MACHEN

Durch die Forschung sollen Konflikte in der Stadtgesellschaft, auch in ihrer latenten Dynamik, verstanden und reflektierbar gemacht werden. So können die wissenschaftlichen Erkenntnisse in einem zweiten Schritt auch Impulse für eine Praxis liefern, die progressive Formen der Aushandlung stärken und zu einer demokratischen Konfliktkultur beitragen will.

KRITISCHE STADTFORSCHUNG

Das Projekt „Konfliktraum Hamburg“ ist eines von drei kritischen Stadtforschungsprojekten, an denen das Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen beteiligt ist. Ziel der Forschung ist es, politische Einstellungen, Diskriminierung und sozialen Zusammenhalt in verschiedenen deutschen Großstädten zu untersuchen. In den weiteren Projekten untersuchen die EFBI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler für den „Berlin Monitor“ die Kämpfe um Anerkennung und Teilhabe innerhalb der Berliner Stadtgesellschaft sowie die Einstellung von Jugendlichen zu den Themen radikaler Islam, bzw. radikaler Anti-Islam in den Städten Braunschweig, Duisburg, Leipzig und Osnabrück im Projekt RIRA.

Gefördert wird das Forschungsprojekt „Konfliktraum Hamburg“ durch die Hamburger Behörde (Landesministerium) für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASF).

Verantwortliche: Clara Schliessler, Andre Schmidt und Nele Hellweg

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Seit 2002 beobachten Wissenschaftler der Universität Leipzig die Entwicklung autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland. Foto: Luis Fernando Felipe Alves

Seit 2002 untersucht die Leipziger Arbeitsgruppe um Elmar Brähler und Oliver Decker die rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Die alle zwei Jahre durchgeführte Erhebung gilt als Grundlage der Erforschung rechtsextremer Einstellungen und ihr Vordringen in breite Schichten der Bevölkerung.

Im Rahmen der als Leipziger "Mitte"-Studien bekannt gewordenen Studienreihe werden im Zwei-Jahres-Rhythmus repräsentative Erhebungen durchgeführt. Im Jahr 2008 wurden in einer Gruppendiskussionsstudie die Ergebnisse der repräsentativen Studie von 2006 vertieft. Von 2006 bis 2012 konnte die Friedrich-Ebert-Stiftung als Kooperationspartnerin gewonnen werden. 2016 wurde die Studie in Kooperation mit der Otto-Brenner-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt. Seit 2018 besteht die Kooperation mit der Otto Brenner Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung fort. Im selben Jahr wurde der Name der Reihe in "Leipziger Autoritarismus Studien" geändert.

GRUNDLAGE ZUR ERFORSCHUNG RECHTSEXTREMER EINSTELLUNGEN

Über die Jahre entwickelten sich die Studie zu einem vielbeachteten Barometer politischer Einstellung in Deutschland. Die gewonnenen Daten und die sozialpsychologischen Analyse der Studienreihe der Universität Leipzig sind heute zur bundesweiten Grundlage der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus geworden.

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler

Die Corona-Pandemie hat das soziale, ökonomische, politische und kulturelle Leben stark verändert und die Menschen in Deutschland vor große individuelle und gesellschaftliche Herausforderungen gestellt. Dabei zeichnet sich eine weiter zunehmende politische Spaltung der Gesellschaft ab, die unter anderem zum Erfolg populistischer Parteien und neuer Protestbewegungen beiträgt. Ein Team unter der Leitung des stellvertretenden EFBI-Direktors Dr. Johannes Kiess untersucht, inwiefern und in welchen sozialen Gruppen die Pandemie politische Einstellungen und damit verbundene gesellschaftliche und politische Partizipation nachhaltig verändert hat. Das neue Forschungsprojekt untersucht mit Längsschnittdaten mehrerer Teilstudien des Nationalen Bildungspanels (NEPS) sowie vertiefenden qualitativen Fokusgruppeninterviews, wie und in welchen Kontexten sich politische Einstellungen und damit verbunden gesellschaftliche und politische Partizipation mittel- und langfristig verändern und welche sozialen und regionalen Disparitäten dabei wirksam sind. Im Zentrum des Vorhabens steht die Frage, welche Bildungsverläufe und erworbenen Kompetenzen mit den wachsenden sozialen Ungleichheiten in der Corona-Pandemie zusammenhängen und so die Veränderung politischer Einstellungen und Bewertungen sowie gesellschaftlicher und politischer Partizipation beeinflussen.

Projektverantwortliche: Dr. Joannes Kiess

Laufzeit: 10.2022 - 09.2025

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Foto: Alireza Khalili/NGG

Das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Forschungs­projekt „Handlungs­fähigkeit (wieder)entdecken: Arbeits­kämpfe, lokale demo­kratische Kultur und Struktur­wandel in Sachsen“ untersucht die Be­deutung von betrieblichen Organisierungen und Arbeits­kämpfen für die sächsische Demokratie. Die EFBI-Forschenden untersuchen das neue ost­deutsche Auf­begehren, das sich in der Streik­bewegung artikuliert. Anhand von ausgewählten Arbeits­kämpfen in Sachsen untersucht die Studie, was den besonderen politischen Charakter dieser Kämpfe ausmacht, wie lokale politische Kultur und Politik im Betrieb in­einandergreifen und in­wiefern die Orga­nisierung über den Betrieb hinaus sozialisierend und demokrati­sierend wirken kann.

Laufzeit: 03.2023 - 02.2026

Im Rahmen der bundes­weiten InRa-Studie „Institutionen & Rassismus“ am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird das Phänomen Rassismus in Institutionen durch mehrere Teil­projekte umfassend untersucht. Das Forschungs­team des Leipziger Teil­projektes unter der Leitung von Prof. Oliver Decker beschäftigt sich mit sozialen Dynamiken und demokratischen Ressourcen innerhalb der Institutionen der sächsischen Justiz. Die Studie ist in die Forschung des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratie­forschung in Sachsen eingebunden.

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler

Laufzeit: 10.2021 - 12.2024

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