Datum/Uhrzeit: Uhr
Art: Lesung/Aufführung, Präsenz
Ort: Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Schuhmachergäßchen 4

Alem Grabovac stellt seinen autofiktionalen Roman "Die Gemeinheit der Diebe" vor, in dem es um Tito, Helmut Kohl, Fabrikarbeit, Ausländer, Kriege, Halunken, die Königin von England, Säufer, Wunderheiler und eine Frau geht, die sich zwischen alledem zu behaupten versucht. Das Research Centre Global Dynamics, und der Organisator Prof. Dr. Marian Burchardt laden Studierende, Forschende und Interessierte ein.

Nach vierzig Jahren Akkordarbeit am Fließband fragt sich die 71-jährige Smilja: »Was bleibt von einem Leben, das nie gelebt wurde?« Als jugoslawische Gastarbeiterin kam sie Anfang der 1970er Jahre nach Deutschland, fest entschlossen, sich gegen alle Widerstände ein kleines bisschen Glück zu erkämpfen. Ihr Weg war beschwerlich und voller Entbehrungen: Ihr Sohn Alem musste in einer deutschen Pflegefamilie aufwachsen, die Hoffnung auf einen Lebensabend in ihrem Heimatland gab Smilja später auf und immer wieder geriet sie in die Abhängigkeit skrupelloser Männer. Um den Preis von Heimat und Familie gelang es ihr, sich einen kleinen Wohlstand zu erarbeiten. Doch als sie sich schließlich zur Ruhe setzen kann, stirbt ihr Partner Dušan plötzlich und ihre Welt gerät aus den Fugen. Einzig ihr Sohn Alem steht ihr nun bei, obwohl es diesem schwerfällt, Smilja seine zerrissene Kindheit zu verzeihen. Gemeinsam versuchen sie, ihr endlich ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. So packend wie schnörkellos zeichnet Alem Grabovac in Die Gemeinheit der Diebe das Bild einer Frau, die sich unter größter Anstrengungen eine Existenz aufbaute und im Moment des endgültigen Ankommens in Deutschland alles zusammenbrechen sieht.

Nach seinem viel beachteten Debüt Das achte Kind schreibt Alem Grabovac die autofiktionale Geschichte seiner Familie weiter. Am Beispiel seiner Mutter Smilja, die zur frühen Gastarbeiter:innengeneration gehört, porträtiert Grabovac eine wechselhafte Beziehung zwischen Mutter und Sohn. In Jugoslawien in Armut aufgewachsen, wandert Smilja im Zuge des Anwerbeabkommens in die BRD aus. Die Arbeit am Fließband eines Frankfurter Autozulieferers ist zermürbend und auch ihr Zuhause bietet keinen Schutzraum. Ihr Partner Dušan schlägt sie und ihren Sohn Alem, der sie alle zwei Wochen besuchen kommt. Denn Alem muss wie viele Gastarbeiterkinder als hin- und herpendelndes »Kofferkind« bei deutschen Pflegeeltern aufwachsen. Diese kümmern sich um seinen erfolgreichen Lebensweg, verschaffen ihm gänzlich andere Möglichkeiten, als sie seiner Mutter je offenstanden: Er kann durch Amerika reisen und in London studieren. Smiljas einziger Traum hingegen ist ein Lebensabend in dem Haus an der dalmatinischen Küste, in das ihr Erspartes geflossen ist. Doch die Rückkehr in ihr Herkunftsland, das inmitten ethnischer Konflikte zerbrochen ist, erscheint nach Jahrzehnten in Deutschland nicht mehr sinnvoll. Für eine Weile vermag der »gebende Blick« des kroatischen Wunderheilers Braco die Leere füllen, die sie in sich spürt. Aber gerade als sie sich einen kleinen Wohlstand erarbeitet hat und sich eine eigene Wohnung in Frankfurt leisten kann, stirbt ihr Partner, mit dem sie nach Jahrzenten harter Arbeit endlich eine glückliche Zeit verbringen wollte. Smilja schläft kaum noch, bekommt Wahnvorstellungen, glaubt, Dušans Geist im Kleiderschrank klopfen zu hören. Ihr Sohn Alem versucht einen Zugang zu ihr zu finden. Obwohl ihn ihre Trauer um Dušan wütend macht und Smilja ihn nie vor dessen Gewalt schützte, versucht Alem ihr zu helfen. Eindringlich erzählt Alem Grabovac in diesem Mutter-Sohn-Roman vom Ringen zweier Generationen um Fragen nach Heimat und Herkunft, Schuld und Vergebung.

Über den Autor

Alem Grabovac, 1974 in Würzburg geboren. Mutter Kroatin. Vater Bosnier. Er hat in München, London und Berlin Soziologie, Politologie und Psychologie studiert und lebt mit seiner Familie in Berlin. Als freier Autor schreibt er unter anderem für Die Zeit, Welt, taz. Bei hanserblau erschien 2021 sein Debütroman Das achte Kind.