Prof. Dr. Gert Pickel, einer der beiden Studienleiter, erklärt im Interview das Vorhaben.
Welche Ziele verfolgt diese Studie?
Unser Ziel ist es, inter- und transdisziplinär aus verschiedenen Blickrichtungen einen möglichen Rassismus in Institutionen empirisch zu erforschen. Wir wollen wissen, inwieweit sich Rassismen verändert haben und dies Konsequenzen für eine rassismussensible Arbeit von Behörden besitzt, aber auch, ob in Behörden Diskriminierungen, die sich auf rassistische Stereotype beziehen, zu beobachten sind und wie dies von Betroffenen und Behördenvertreter:innen eingeordnet wird. Dabei ist es nicht nur Ziel, Rassismus gegenüber verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft zu ermitteln, sondern wir fragen uns auch, in welchen Institutionen und Behörden teilweise Elemente von Kulturen des Rassismus bestehen. Wir wollen unterschiedliche Situationen und Rahmenbedingungen sowie deren Deutung aus Sicht unterschiedlicher Beteiligter erfassen, rekonstruieren und Möglichkeiten zur Bearbeitung aufzeigen.
Was ist unter dem „Kontext ausgewählter gesellschaftlich-institutioneller Bereiche“ zu verstehen?
Vor allem verstehen wir darunter Institutionen und Behörden des Bundes, Landes und Kommunen. Aber auch andere öffentliche Einrichtungen werden in einzelnen der 22 Forschungsprojekte berücksichtigt. Wichtig ist es uns, nicht nur individuellen, zum Beispiel affektiven, Rassismus zu erfassen, sondern auch Kulturen in Institutionen oder spezifische Kontaktflächen, die Rassismus ermöglichen.
Gibt es innerhalb der Strukturen besondere Schwerpunkte, die Sie betrachten werden?
Es ist vor allem die Vielfalt, die unseren Forschungsverbund auszeichnet. Sowohl kommunale Ämter als auch Bundesbehörden sowie das Gesundheitssystem, die Justiz und Gemeinden werden besucht und untersucht. Hierfür wollen wir uns sowohl konzeptionelle Gedanken über Rassismus in Institutionen machen, als auch die internationale Diskussion berücksichtigen. Wichtig ist uns die Perspektive des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der durch Rassismus beschädigt wird.
HINTERGRUND DER STUDIE:
Die Bundesregierung hat am 12. Mai 2021 Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen. Sie fördert 89 Einzelvorhaben unter anderem in Forschung und Prävention. Zudem sollen Sicherheitsbehörden, Justiz und Zivilgesellschaft in diesem Programm sensibilisiert und gestärkt werden. Weiterhin wurden gesetzliche Grundlagen für den Kampf gegen Hasskriminalität erweitert.
Die neue Studie unter Federführung des FGZ soll klären, inwieweit Rassismus in staatlichen Institutionen auftritt. Dabei wird ermittelt, welche Erscheinungsformen Rassismus annimmt beziehungsweise wie dieser wahrgenommen wird. Ein weiterer Untersuchungspunkt sind die Motive, welche strukturellen Gründe dem Rassismus zugrunde liegen können und wie er sich vermeiden lässt. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Rassismus sich verändert und dass sich die Sensibilität in Bezug auf Rassismus verändert. Die daraus resultierende Herausforderung kann nur im Zusammenwirken verschiedener wissenschaftlicher Fachdisziplinen erforscht werden. Eine interministerielle Projektgruppe wird auf Arbeitsebene den Forschungsprozess fachlich begleiten.
Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) wurde 2020 gegründet, um interdisziplinäre geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt über 11 Standorte hinweg zu bündeln und innovativ voranzutreiben. Das Leipziger Teilinstitut des FGZ ist an das Leipzig Research Centre Global Dynamics angeschlossen. An der neuen Studie beteiligt es sich mit sechs Teilprojekten und neun Mitarbeitenden. Zudem ist die Geschäftsstelle des Projektes in Leipzig angesiedelt. Der Forschungsprozess des Gesamtprojekts wird von den beiden Leipziger Universitätsprofessoren Prof. Dr. Gert Pickel und Prof. Dr. Matthias Middell geleitet.
Ausführlichere Informationen zum Studiendesign und zu den mitwirkenden Wissenschaftler:innen finden sich auf der Website zur Studie.
Weitere Informationen:
Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI)
Pressemitteilung des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ)