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Lea Bauer und Sarah Ruth Sippel über die Finanzialisierung der Landwirtschaft. Die Konstruktion der Landwirtschaft als alternative Finanzanlageklasse ist durch vielschichtige, raumzeitliche Dynamiken geprägt. Diese lassen sich nicht in einer kartographischen, nach dem kartesischen Koordinatensystem strukturierten Raumperspektive „von oben“ visualisieren.

Die Finanzialisierung der Landwirtschaft – d. h. die Konstruktion der Landwirtschaft als alternative Finanzanlageklasse – ist durch vielschichtige, raumzeitliche Dynamiken geprägt. Diese lassen sich nicht in einer kartographischen, nach dem kartesischen Koordinatensystem strukturierten Raumperspektive „von oben“ visualisieren. Vielmehr beziehen sich Erkenntnisse auf qualitativ-explorative Beobachtungen zu raumbezogenen Mechanismen, die sich in einer Heterogenität von Praktiken und Orten vollziehen. Wie lassen sich solche empirischen Beobachtungen sichtbar machen und für kommunikative Zwecke illustrieren? Visualisierungen werden in den qualitativ-explorativ arbeitenden Sozialwissenschaften äußerst zurückhaltend verwendet. Diese Visualisierungsskepsis ist begründet – führt aber auch dazu, dass das reflexive und epistemische Potenzial von Visualisierungsarbeit weitgehend ungenutzt bleibt.

Am Beispiel einer autoethnographisch dokumentierten Visualisierungsarbeit diskutiert dieses Working Paper Potenziale, Herausforderungen und Ambivalenzen von Visualisierungen in der qualitativen For- schung. Visualisierungen zwingen zur Abstraktion und damit zum reflexiven Hinterfragen von Inhalten und ihrer Interpretation und Darstellung. Visuelle Argumentationsstrukturierung, symbolische Formensprache und der Evidenzeffekt von Visualisierungen müssen zugleich kontinuierlich reflektiert, kritisch beobachtet und positioniert werden. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrung mit Visualisierungen plädieren wir dafür, das reflexive und epistemische Potential experimenteller Visualisierungsarbeit stärker als bisher als eigenständige Methode der Erkenntniserweiterung im Rahmen von stets unabgeschlos- senen, qualitativ-rekonstruktiven Forschungsprozessen einzusetzen.