Das besondere Jahr 2020 stellte für Lehre und Forschung zweifellos eine Herausforderung und vielleicht sogar eine Zäsur dar. Zahlreiche Initiativen für richtige Neuerungen und für vorher kaum für möglich gehaltene Fortschritte in der Digitalisierung der Lehre sind daraus entstanden, die auch das Curriculum für die Ausbildung der Promovierenden an der GSGAS bereicherten.
Während wir dabei für Forschungsseminare auf die Muster zurückgreifen konnten, die im grundständigen Studium ebenfalls erprobt und vielen rasch selbstverständlich wurden, gibt es bisher nur wenig Konzepte oder Blueprints, die Ideen und Handlungsangebote für Promotionsbetreuung in der Pandemie beinhalten und sich mit den Fragen auseinandersetzen, wie Doktorandinnen und Doktoranden trotz fehlender Präsenztreffen optimal betreut werden können – sei es in individueller Betreuung durch Doktormütter und -väter sowie Mentorinnen und Mentoren, in Beratung durch Thesis Advisory Committees oder durch den Austausch mit den Peers. Dabei sind Promovierende in den Geistes- und Sozialwissenschaften gerade in der ersten und der Abschlussphase der Dissertation von Feedback und Unterstützung durch erfahrenere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und von Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Ein weiteres Problem, das besonders diejenigen betrifft, die sich am Beginn ihrer Projekte befinden, besteht unter Pandemiebedingungen in kreativen Antworten auf die Frage, wie die notwendigen Quellen und Materialien erhoben werden, wie „virtuell geforscht“ werden kann, da Feldforschung nur bedingt möglich ist und viele Archive geschlossen haben.
Nach intensivem Austausch hat der Vorstand der GSGAS ein Format entwickelt, das sich gänzlich der Unterstützung der Promovierenden widmet und in dem sich die traditionelle Winterklausur der GSGAS mit den jährlich stattfindenden Thesis Advisory Committees verbindet: Die vor diesem Hintergrund konzipierte erste Thesis Support Week fand nunmehr vom 1. bis 5. Februar statt (und damit im engen zeitlichen Zusammenhang wurde für alle Promovierende und Postdocs aus dem Teilinstitut Leipzig des FGZ die erste FGZ-Winterklausur vom 28.-30.1. durchgeführt). Sie bestand aus vier Panels mit Präsentationen, Kommentaren und Diskussionen der laufenden Dissertationsprojekte und aus 68 individuellen Gesprächen der Promovierenden im Rahmen der insgesamt sechs bestehenden Thesis Advisory Committees. Diese Committees wurden mit Blick auf fachliche Subspezialisierungen und die Zugehörigkeit zu den einzelnen Einrichtungen, die in der GSGAS mitwirken, gebildet. Im Einzelnen sind dies folgende Komitees:
- Eastern Europe in a global context (Adamantios Skordos, Christian Lübke, Katja Castryck-Naumann, Corinne Geering)
- International Studies (Ulf Engel, Jens Herpolsheimer, Megan Maruschke)
- Transnational and Area Studies (Elisabeth Kaske, Dmitri van der Bersselaar, Steffi Marung, Geert Castryck)
- Cultural Studies/Comparative Social and Cultural History (Maren Möhring, Dirk Quadflieg, Antje Dietze)
- Social Cohesion (Dirk van Laak, Gert Pickel, Christiane Reinecke, Alexander Yendell)
- Geographies (Ute Wardenga, Oliver Krause, Ninja Steinbach-Hüther)
An den Gesprächen nahmen neben den Mitgliedern der Komitees und den Promovierenden jeweils die Betreuer:innen und gegebenenfalls auch Mentor:innen teil. Insgesamt 21 Hochschullehrer:innen und Postdocs engagierten sich als feste Mitglieder der sechs disziplinär bzw. thematisch organisierten Thesis Advisory Committees und nahmen die erhebliche Arbeitsbelastung der Vorbereitung auf die Gespräche auf sich, zu denen die Promovierenden jeweils standardisierte Arbeitsberichte und Probekapitel eingereicht hatten.
Im Ergebnis liegen nun 68 Sachstandsberichte, Arbeitsproben und Gesprächsprotokolle vor. Es handelt sich um eine durchaus heterogene Datenmenge, die noch genauer analysiert werden muss, aber in der groben Auswertung eine Schlussfolgerung zulässt: Neben der Artikulation der bestehenden Schwierigkeiten in der aktuellen Situation und der Forschungsbeschränkungen durch die Pandemie, zeigte sich in den Gesprächen, dass die Promovierenden und die Betreuer:innen bereits zahlreiche Ausweichstrategien durchdacht und teilweise auch bereits ausprobiert haben. In jenen Fällen, in denen noch kein „Plan B“ bestand, wurden Forschungsalternativen mit den Komiteemitgliedern eruiert und diskutiert, wofür sich die Quervergleiche zwischen den Gesprächen als außerordentlich fruchtbar und anregend erwiesen.
Weiterhin dienten die Gespräche auch der Identifikation von (einer geringen Anzahl) „Problemfällen“, wo es nach wie vor konzeptionelle Schwierigkeiten mit der Rahmung des Dissertationsvorhabens, größere Probleme mit dem Materialzugang oder/und erheblichen Zeitverzug bei der Erfüllung der selbstformulierten Arbeitsplanung gibt. Die Gesprächsprotokolle geben einen guten Einblick in die vorgeschlagenen „Maßnahmen“ und verabredeten Unterstützungsleistungen, wie z.B. die Einbeziehung eines/einer Mentor:in oder die Neuorientierung der Dissertation im Hinblick auf die Methodik oder Quellenlage.
Das Feedback, das wir von einer ganzen Reihe von Promovierenden und Betreuer:innen erhalten haben, war durchweg positiv. Die Thesis Support Week war nicht nur nützlich für die einzelnen Betreuungsverhältnisse, sondern sie erlaubte – auch im Unterschied zu den bisher zeitlich auseinanderliegenden Thesis Committees – den konzentriert vergleichenden Blick über das individuelle Betreuungsverhältnis hinaus und bot damit viele Anregungen für Verbesserungen. Zugleich stärkte sie, so unsere Beobachtung, das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Graduate School, ein oft nachgefragtes Gut in Zeiten, da viele über Vereinsamung durch den Lockdown klagen oder sie fürchten. Forschungsverbünde, wie der SFB 1199 „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ oder das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), hatten zugleich die Möglichkeit, Informationen für eine kollektive Bilanz der Erfüllung ihres Forschungsauftrages zu sammeln. Und wie es auch schon Ergebnis früherer Thesis Committees war, bietet dieser kondensierte Austausch eine großartige Möglichkeit, über die Vergleichbarkeit und Verknüpfbarkeit von Fächer- und Promotionskulturen, Methodenverständnisse und Umgang mit Materialien nachzudenken und ins Gespräch zu kommen.