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Von Pauline Rosteius

Der Klimawandel verschärft urbane Hitzeinseln – in Leipzig ist der Bedarf an Anpassungsmaßnahmen besonders akut. Am ReCentGlobe angesiedelt ist das EU-Horizon‑Projekt PRO‑CLIMATE, das in Leipzig und weiteren europäischen Städten in sogenannten Living Labs erprobt, wie soziale Innovation und gemeinschaftliches Handeln Klimaresilienz stärken können. Ein Beispiel etwa sind so genannte Forschungsgründächer, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UfZ). Sie zeigen, wie begrünte Dächer Hitze reduzieren, Regen versickern lassen und gleichzeitig städtisches Engagement fördern. In diesem Beitrag erklärt Pauline Rosteius, bis Juni 2025 Mitarbeiterin im PRO-CLIMATE-Projekt, wie Leipzig zu einem erfolgreichen Labor für urbane Klimaanpassung werden kann – und welche Rolle Forschung, Verwaltung und Zivilgesellschaft dabei spielen.

 

Der Klimawandel verändert Leipzig. Die Sommer sind trockener, Starkregen setzt Straßen unter Wasser, und die Stadt heizt sich auf. Doch es gibt eine Lösung: Gründächer. Sie kühlen, speichern Wasser und schaffen Lebensraum – mitten in der Stadt.

Warum Leipzig Gründächer braucht:

In Zeiten des Klimawandels stehen Städte vor immer größeren Herausforderungen. Dichte Bebauung und versiegelte Flächen führen zu urbanen Wärmeinseln. Dieser Effekt verstärkt die steigenden Durchschnittstemperaturen zusätzlich. An heißen Tagen kann es in der Innenstadt von Leipzig bis zu 10 Grad wärmer sein als im Umland. Gleichzeitig nimmt die Zahl extremer Wetterereignisse zu, wie zuletzt im Juli 2024, als zahlreiche Straßen Leipzigs nach starken Regenfällen unter Wasser standen. 

Wärmeinseln gefährden die Gesundheit der Stadtbewohner:innen. Kühlt sich die Stadt nachts aufgrund der gespeicherten Wärme nicht ab, wird die Regeneration des Körpers erschwert. So steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenversagen, besonders für ältere Menschen und chronisch Kranke. Auch die allgemeine Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Bewohner:innen leiden unter anhaltender Hitze. Allein in den Jahren 2018 und 2019 starben in Deutschland rund 15.600 Menschen an den Folgen extremer Hitze. Klimaresilienz und Gesundheitsschutz sind also eng miteinander verknüpft. Dennoch mussten sich Aspekte der Klimaresilienz in städtebaulichen Planungen oft anderen Belangen unterordnen. Der Fokus lag auf Verdichtung und Verkehrsinfrastruktur, während Aspekte wie Belüftung, Verschattung und Versickerung weniger berücksichtigt wurden. Heute haben viele Städte Schwierigkeiten, ihre bestehenden Strukturen klimafreundlich umzubauen.

Leipzig spürt als wachsende Stadt die Folgen des Klimawandels besonders stark. Der Verlust von Grünflächen und die zunehmende Versiegelung verschärfen die Probleme, da gerade diese Flächen zur Abkühlung der Stadt beitragen können. 

Eine vielversprechende Lösung bieten hier Gründächer, die versiegelte Flächen in grüne Oasen verwandeln. 

So funktionieren Gründächer: 

Gründächer bringen zahlreiche ökologische Vorteile mit sich, die sowohl zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels beitragen als auch das Stadtbild aufwerten. Sie filtern Schadstoffe aus der Luft und tragen zur Bindung von Treibhausgasen bei. Darüber hinaus speichern Gründächer wie ein Schwamm Regenwasser. Durch diese Zwischenspeicherung wird das Kanalsystem insbesondere bei starken Regenfällen entlastet, was das Risiko von Überschwemmungen erheblich reduziert. Das auf den Gründächern gespeicherte Wasser wird dann langsam an die Atmosphäre zurückgeführt und bleibt damit Teil des natürlichen Wasserkreislaufs. Diese Wasserreserve trägt dazu bei, Hitze- und Trockenperioden abzumildern. Gründächer leisten zudem einen wichtigen Beitrag zur Senkung der Temperaturen, sowohl innerhalb des begrünten Hauses als auch außerhalb. So bieten sie natürlichen Schatten für das Gebäude, wodurch die Innentemperaturen im Sommer und damit der Kühlbedarf gesenkt werden. Die Verdunstung des gespeicherten Wassers hat zudem einen kühlenden Effekt und im Gegensatz zu herkömmlichen Dachmaterialien wie Ziegeln, Bitumen oder Kies heizen sich Pflanzen deutlich weniger auf. Auch die Tierwelt profitiert von Gründächern: Sie bieten Insekten, Vögeln und Käfern wertvolle Lebensräume, Nistmöglichkeiten sowie Nahrungsquellen. Blühende Pflanzen locken Bestäuber an und fördern so die Artenvielfalt. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, Gründächer mit Solaranlagen zu kombinieren. Durch den kühlenden Effekt der Begrünung wird die Effizienz von Photovoltaikanlagen auf solchen Dächern sogar gesteigert.

Hindernisse und Lösungen: 

Trotz der vielen Vorteile werden Gründächer erst seit einigen Jahren verstärkt in die städtische Planung integriert. Gründe für die bislang noch zögerliche Verbreitung sind vielfältig. Zu den größten Hindernissen zählen die hohen Anfangsinvestitionen. Obwohl Gründächer langfristig Kosten einsparen können, etwa durch die Senkung des Energieverbrauchs für Kühlung und Heizung, oder durch die Entlastung der Kanalisation bei Starkregen, dauert es oft viele Jahre, bis sich diese Investitionen amortisieren. Strenge Bauvorschriften und langwierige Genehmigungsprozesse erschweren die Umsetzung zusätzlich. Die Regularien sind häufig nicht auf innovative und nachhaltige Bauweisen wie Gründächer ausgerichtet, was den Planungsprozess erheblich verkomplizieren kann. Ein weiteres Problem ist das mangelnde Wissen über die zahlreichen Vorteile von Gründächern. 

Was Leipzig bereits tut: 

Um die Begrünung von Dächern in Leipzig voranzutreiben, hat das Amt für Umweltschutz ein Förderprogramm für „Naturbasierte Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel“ ins Leben gerufen. Abhängig vom Vorhaben können bis zu 90% der Kosten für die Planung und den Bau eines Gründachs übernommen werden. Neben der Dachbegrünung werden auch Fassadenbegrünung, Hofbegrünung und Entsiegelung bezuschusst. 

Zusätzlich stellt die Stadt kostenlose Saatgutmischungen zur Verfügung, die speziell an die Standortbedingungen in Leipzig angepasst sind. Auf der Webseite der Stadt stehen verschiedene Broschüren zur Verfügung, die alle Fragen rund um das Thema Gründach beantworten. 

In Zusammenarbeit mit dem Botanischen Garten Leipzig und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ist 2023 ein Modellgründach entstanden, das im Botanischen Garten die vielfältigen Funktionen eines Gründachs präsentiert. Zu Forschungszwecken betreibt das Umweltforschungszentrum ein Forschungsgründach, auf dem verschiedene Arten von Gründächern untersucht werden. Auch der Klimaanpassungsmanager der Stadt Leipzig ist an dem Thema interessiert und richtete im September 2024 ein Klimaanpassungs-Café für Interessierte aus, um sich über das Thema auszutauschen. 

Mit dem Projekt PRO-CLIMATE engagiert sich auch die Universität Leipzig für eine klimaresiliente Stadt. Das Ziel des Projektes ist es, erforderliche Anpassungsmaßnahmen zu identifizieren und zu fördern und transformative soziale Veränderungen anzustoßen. Als Teil des Projektes wird auch die Bedeutung von Urbanen Grün unterstrichen, das nicht nur ökologisch wertvoll ist, sondern auch nachweislich gut für das Wohlbefinden der Stadtbevölkerung. 

 

Referenzen: 

Behrens, U.; Hoffmann, K. (Hrsg.: Deutscher Wetterdienst): Bericht – Stadtklimatische Untersuchungen in Leipzig. Ergebnisse statistischer Auswertungen langjähriger Klimareihen sowie temporärer Stations- und Profilmessungen. Deutscher Wetterdienst Potsdam, 2016.

Gründachförderung der Stadt Leipzig: www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/energie-und-klima/klimawandelanpassung-und-stadtklima/gruendachfoerderung

Handreichung: Anpassung an den Klimawandel in Städten. Deutscher Städtetag.

Leipzig braucht mehr grüne Dächer – Ökolöwe Umweltbund Leipzig e.V.: www.oekoloewe.de/umweltpolitik-naturschutz-detail/gruen-aufs-dach.html

Oberndorfer, E., Lundholm, J., Bass, B., Coffman, R. R., Doshi, H., Dunnett, N., ... & Rowe, B. (2007). Green roofs as urban ecosystems: ecological structures, functions, and services. BioScience57(10), 823-833.