Pressemitteilung vom

An der Universität Leipzig nimmt ein neues Forschungsprojekt die Arbeit auf, das Rechtsstaatlichkeitsvorstellungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union untersucht. Unter der Leitung von Prof. Dr. Astrid Lorenz analysiert ein interdisziplinäres Forschungsteam mit vergleichenden Fallstudien die Entwicklungen in fünf Staaten in Ostmitteleuropa. Das Projekt wird zunächst für drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und ist am Leipzig Research Centre Global Dynamics angesiedelt.

Die Europäische Union steht derzeit vor einer Zerreißprobe. In vielen Mitgliedstaaten, darunter in Ostmitteleuropa, werden Elemente der Rechtsstaatlichkeit und liberalen Demokratie infrage gestellt. Häufig bekunden Akteure ihre Unterstützung von Rechtsstaatlichkeit, deuten aber ihre Inhalte so stark um, dass die Vorstellungen sich radikal von dem unterscheiden, was die Grundprinzipien der EU (Art. 2 EUV) ausmacht. Deutsche Gerichte verboten infolgedessen etwa die Auslieferung von Verdächtigen nach Polen. „Damit erschüttern Entgrenzungsprozesse die etablierten Ordnungskonzepte und den Rechtsraum innerhalb Europas“, so die Leiterin des neuen Forschungsprojekts Prof. Dr. Astrid Lorenz.

Diesem Befund wird ihr Forschungsteam nachgehen, das aus zwei PostDocs, zwei Doktoranden und sechs ausländischen Fellows besteht. Konkret soll das Projekt untersuchen, inwiefern Rechtsstaatlichkeitsvorstellungen in Ostmitteleuropa (1) nationale Pfade repräsentieren, (2) durch jüngere soziale und politische Konflikte zwischen Politik und Justiz im Zuge der postsozialistischen Transformation und Europäisierung beeinflusst wurden und (3) zum Rechtsstaatlichkeitskonzept der EU passen.

Dazu kombiniert das Projekt unterschiedliche fachdisziplinäre Zugänge (Politik-, Geschichts- und Kulturwissenschaft sowie Soziologie). Regionalwissenschaftliche Expertise zu Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Rumänien kommt hinzu. Das Team untersucht demnach Länder mit stärkeren und geringeren Rechtsstaatlichkeitsdefiziten seit 1990. Es führt Interviews mit Richtern, Politikern und Experten und zeichnet nach, wie sich Rechtsstaatlichkeitskonzepte vor Ort seit 1918 verändert haben. Aufbauend auf der Analyse der Fälle sollen Vorschläge für die Lösung der Rechtsstaatlichkeitsprobleme in Europa entwickelt werden. 

 

Auf einen Blick

Rechtsstaatlichkeit in Ostmitteleuropa: Die gesellschaftliche Einbettung von Akteurspräferenzen verstehen und kontextsensibel handeln

Laufzeit: 1.4.2021 bis 31.3.2024 (mögliche Verlängerung um 3 Jahre)

Mittelgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Beteiligte: Prof. Dr. Astrid Lorenz (Projektleiterin), Dr. Lisa Helene Anders, PD Dr. Dietmar Müller, 2 wissenschaftliche Mitarbeiter/innen, 6 ausländische Fellows à 2 Monate