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European Studies sind häufig zwei Sichtweisen verhaftet, die sich mehr und mehr als ungenügend herausstellen: Einerseits wird Europa als eine geographische Einheit von anderen Teilen der Welt separat wahrgenommen und diskutiert, andererseits wird es mit der Europäischen Union als Institution und dem Prozess einer voranschreitenden europäischen Integration identifiziert.

Mit der neuen Aufmerksamkeit für die Erbschaft imperialer Konstellationen und für heutige globale Dynamiken sowie seit der Schubumkehr von Ausdehnung zu Schrumpfung, die der Brexit verdeutlicht hat, sind diese Sichtweisen immer weniger selbstverständlich geworden. Die auffälligen definitorischen Herausforderungen der European Studies spiegeln sich dabei auch einer wachsenden Vielfalt entsprechend benannter Studiengänge. Neben klassischen Zugängen zu Politik, Verwaltung, Recht und Wirtschaft innerhalb der EU richten neuere Studiengänge ihre Aufmerksamkeit auf die EU-Osterweiterung und den damit einhergehenden massiven Transformationsprozess im östlichen Europa. Andere Studiengänge legen das Augenmerk vorrangig auf kulturwissenschaftliche Perspektiven, die neben europäischen Sprachräumen auch kulturhistorische Entwicklungen fokussieren. Dies alles sind wichtige Modernisierungsbemühungen, die allerdings weitere Anstrengungen, Europa in einer sich weiter globalisierenden Welt zu positionieren, nicht obsolet machen. Was oft als Krise beschrieben wird, birgt viele neue wissenschaftliche Fragestellungen und auch viele neue Arbeitsfelder, auf die es Studierenden vorzubereiten gilt. Dass Diversität in Europa zunimmt, dass die Zahl der zu beachtenden globalen Einflussfaktoren wächst, dass die Beziehungen zwischen EU- und Nicht-EU-Mitgliedern komplexer werden, verlangt nach neuen Kompetenzen, die European Studies bieten können. Klimakrise, Pandemie, Handelskriege, NATO-Neuausrichtung – nirgendwo ist Europa allein, sondern agiert in einem multipolaren Gesamtfeld. Dabei ist Europa weder die Kommission in Brüssel oder die Versammlung der nationalstaatlichen Regierungen allein, sondern auch die Vielzahl der Wirtschafts- und kulturellen Akteure, der Vertreter einer vielfältigen Zivilgesellschaft und der vielen Bürgerinnen und Bürger, auch jener, denen das europäische Projekt vielleicht gar nicht zentrales Anliegen ist.

Auf diese komplexe Situation reagiert eine Initiative für ein transnationales Konsortium, das einen neuen gemeinsamen Master European Studies entwickeln will. Den Grundstein legt die Hochschulallianz Arqus mit ihrem Ziel, allianzübergreifend Pilotstudiengänge für ihre weitere Integration zu schaffen (https://www.arqus-alliance.eu/). Die sieben hier zusammengeschlossenen Universitäten Vilnius, Bergen, Lyon, Padua, Granada, Graz und Leipzig bringen für ein solches Vorhaben beste Voraussetzungen mit, denn sie alle verfügen bereits über Studienangebote, die Europa in der einen oder anderen Weise ins Zentrum rücken, aber sie ergänzen sich auch gut in den disziplinär ganz unterschiedlich gelagerten Herangehensweisen. Für den Aufbau eines gemeinsamen Studienprogramms verständigten sich die Partner darauf, Europa als globalen Akteur ins Zentrum zu rücken. Die Initiative kann auf eine breite Unterstützung der Arqus-Hochschulallianz bauen (https://www.arqus-alliance.eu/news/rectors-council-02). Die nächsten Planungstreffen werden nun erste gemeinsame Lehrangebote sowie bi- und multilaterale Modulentwicklungen in Gang setzen, damit das Ziel eines gemeinsamen Studienganges noch vor dem Ende der ersten Förderphase (2022) der Arqus-Allianz erreicht werden kann.

Janine Kläge