Ansatz
Die beiden wichtigsten Argumente in der FDM-Debatte lauten:
Forschungsdaten sollten nach der Publikation von Forschungsergebnissen für min. 10 Jahre zu deren Überprüfung zur Verfügung stehen.
Forschungsdaten sollten nach Möglichkeit und entsprechend den jeweiligen Fächerkulturen durch andere Wissenschaftler:innen mit- oder nachgenutzt werden – und Fördergelder somit effizienter umgesetzt. Besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften stellen sich dabei eine ganze Reihe von Fragen und Herausforderungen, die bisher nur in Ansätzen diskutiert und zu neuen Lösungen geführt wurden.
Dabei geht es zum Beispiel um folgende Fragen:
- Was sind überhaupt Forschungsdaten in unseren Fächern und Forschungsprojekten?
- Wie sollten Forschungsdaten dokumentiert werden – für den/die Forschende selbst, aber auch für andere?
- Was ist in Sachen Datenschutz zu beachten?
- Wie sehen Nachnutzungsszenarien für bestimmte Forschungsdaten aus?
- Wieviel Zeit und Ressourcen müssen dafür aufgewendet werden, Forschungsdaten so aufzubereiten, dass eine Nachnutzung durch andere möglich ist – und wann lohnt sich dies?
Eine zentrale Herausforderung ist dabei auch die Vielfalt dessen, was man als Forschungsdaten in unseren Fächern begreifen kann, die als bunte Mischung aus analogen und digitalen Datenbeständen vorliegen: Von qualitativen Interviews und Fotografien oder Videos über Datenbanken und umfängliche Statistiken hin zu Archivmaterial, Quellentexten und Digitalisaten unterschiedlichster Art.
Mit einem Pilotprojekt, das für die zweite Phase des am ReCentGlobe angesiedelten Sonderforschungsbereichs 1199 (2020–2023) bewilligt wurde, sammeln wir erste Erfahrungen mit einem systematischen Forschungsdatenmanagement und entwickeln Antworten auf die oben genannten Fragen, die wir dann für andere Projekte wirksam werden lassen. Erste Workshops oder Diskussionen mit externen Spezialist:innen haben im Rahmen des SFB stattgefunden; auf Teilprojektebene werden Datenmanagementpläne ausgearbeitet und mit der FDM-Koordinatorin erörtert. Dabei geht es manchmal um sehr komplexe Themen wie etwa die informierte Einwilligung in Interviewsituationen, aber auch um praktische Dinge wie eine gute Dateiorganisation.
Infrastruktur
ReCentGlobe bietet erstmals den organisatorischen Rahmen für die Einrichtung einer adäquaten Infrastruktur für die Geistes- und Sozialwissenschaften an unserer Universität. Dazu gehören die Bereitstellung von Speicherkapazitäten und die Beschaffung notwendiger Soft- und Hardware. Seit November 2020 kann allen Projekten am Zentrum eine Speicherung der Forschungsdaten auf dem Server des Universitätsrechenzentrums (URZ) angeboten werden. Derzeit im Aufbau befindet sich eine „E-Library“ des ReCentGlobe, die das zentrale Repositorium für die Archivierung und eventuelle Veröffentlichung von Forschungsdaten bildet. Sie wird auch die ständig wachsende Sammlung von Videoaufzeichnungen (Dokumentation wissenschaftlicher Veranstaltungen und Open Educational Resources) zugänglich machen, die der Digitalisierungsschub während der Pandemie 2020 angestoßen hat. Die E-Library ist Grundlage für das ab Herbst 2021 verfügbare Wissenschaftsportal von ReCentGlobe.
Das Forschungsdatenmanagement ist Teil des Digital Lab von ReCentGlobe, in dem auch die Entwicklung von DH-Tools für Projekte und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Forschenden aus den Digital und Computational Humanities am Zentrum angesiedelt sind. Ein weiterer Schwerpunkt des Digital Lab ist die Mitwirkung an der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Im Rahmen des Konsortiums 4memory, welches innerhalb der NFDI die historisch arbeitenden Fächer repräsentiert, geht es nicht zuletzt um Lehrangebote für Promovierende der Graduiertenschule GSGAS zur Förderung einer data literacy. Der Antrag des NFDI4memory-Konsortiums wurde im Oktober 2020 eingereicht, eine Förderentscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wird im März 2021 erwartet.