Die Forschung des Zentrums erstreckt sich über vier Themenfelder:

Die vier Research Areas des Zentrums

ReCentGlobe betreibt Grundlagenforschung zu historischen und gegenwärtigen Globalisierungsprojekten und bietet Praxis und Politik vielfältiges Orientierungswissen und darauf aufbauende Beratung zum Umgang mit gesellschaftlichen Krisenherden. In vier Research Areas bündeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit:

Die RA 1 untersucht, wie sich Verflechtung und Entkopplung unter Globalisierungsbedingungen wandeln, wie sie neue Raumformate hervorbringen und zu Raumordnungen integrieren. Das im SFB 1199 entwickelte Konzept der Neuverräumlichung der Welt in Folge konkurrierender Globalisierungsprojekte erlaubt gleichermaßen die koordinierte Untersuchung bestimmter Momente und Arenen dieser Bruchzonen der Globalisierung in Form von Fallstudien als auch die Erarbeitung eines umfassenden Narrativs der neueren Globalgeschichte als Dialektik von De- und Reterritorialisierung (bzw. von Integration und Hierarchisierung von Sozialräumen durch Infrastrukturen). Fallstudien erfassen sowohl kurzfristige Erschütterungen geopolitischer Ordnungen als auch langfristige Stabilisierungen grundlegender Machtasymmetrien. Nicht zuletzt beobachtet die RA 1 aktuell die Krise des internationalen Prinzips des Multilateralismus in der zweiten Hälfte des 20. Jh., das durch unilaterale Großmachtstrategien und politische Populismen systematisch unterminiert wird.

Zunehmend bilden sich transregionale Allianzen zwischen Staaten, Regionen, Netzwerken, Unternehmen oder Gemeinden aus, die in der RA 1 als politischer Transregionalismus konzeptualisiert werden. Ein besonderes Augenmerk gilt der Untersuchung von Raumsemantiken, die kollektive Wahrnehmungen initiieren, steuern und kanalisieren und somit intersubjektiv verhandelbar machen. Sie werden regionen- und damit auch sprach- und kulturübergreifend mit Tools der Digital Humanities vergleichend untersucht und geben Hinweise auf die jeweils historisch spezifische spatial literacy, d.h. die Fähigkeit, widersprüchliche Phänomene wie Entgrenzungen, Einhegungen und Vernetzungen angemessen zu verstehen und darauf praktische Antworten zu finden.

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Die RA 2 rückt den historischen Wandel der Gründe, Mechanismen und Legitimierungsstrategien für den Zusammenhalt auf der Ebene einzelner Gesellschaften und in grenzüberschreitenden Konfigurationen sowie die Formierung jener politischen Akteure in den Mittelpunkt, die als Reaktion auf neue globale Dynamiken entstehen. Dabei gilt besondere Aufmerksamkeit einerseits der (rechts-)populistischen Herausforderung einer liberalen Ordnung und andererseits der Formierung eines transnational organisierten Kosmopolitismus sowie der daraus entspringenden Neuverhandlung von Konzepten der Souveränität unter Globalisierungsbedingungen. Diese Auseinandersetzungen haben tiefgehende Folgen für die Dialektik von Zusammenhalt und Individualisierung in den Gegenwartsgesellschaften, die sich in neuen cleavages und neuen Fragmentierungen niederschlagen, aber auch neue Debatten über Rassismus und die postcolonial condition hervortreiben, die empirisch in einem internationalen Vergleich untersucht werden.

Die RA 2 analysiert den Zusammenhang von Inklusion bzw. Exklusion in einzelnen Gesellschaften und Wandlungen globaler Ungleichheiten einerseits mit Prozessen der Solidarisierung bzw. Entsolidarisierung bzw. exklusiven Solidarisierung in einem historischen Moment, in dem Forderungen nach der Formierung einer globalen Agency zur Bewältigung der Herausforderung des Anthropozäns lauter werden.

Wichtiger Teil der RA ist das Leipziger Teilinstitut des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), in dem sozial-, kultur-, regional- und geschichtswissenschaftliche Zugänge kombiniert werden, um den sich wandelnden Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenhalts im regionalen, nationalen, europäischen und weltweiten Vergleich auf die Spur zu kommen. Angedockt an die Forschungen des FGZ ist eine bundesweite Großstudie zu Rassismus in deutschen Institutionen (InRa), die ebenfalls mit einer Vielzahl von Forschungsprojekten in der Research Area 2 vertreten ist. Einen regionalen Schwerpunkt setzt das Else-Frenkel-Brunswik-Institut, das demokratiefeindliche Einstellungen, Strukturen und Bestrebungen in Sachsen dokumentiert und untersucht und auf dieser Expertise aufbauend die Zivilgesellschaft und Politik berät. Mit dem Jean Monnet Centre of Excellence richtet sich der Blick der RA auch auf die Europäische Union und ihre ländliche Peripherie in Ostmitteleuropa, wo es Einstellungen, Praktiken und Potenziale der EU-Bürgerschaft in der Peripherie interdisziplinär und vergleichend analysiert.

Die Research Area 3 erforscht die Herausbildung, Durchsetzung und Verbreitung, Infragestellung und Diversifizierung von Epistemen in Geschichte und Gegenwart. Insbesondere Religionen haben in der Menschheitsgeschichte als Stifter kognitiver, normativer und expressiver Orientierung mit höchster gesellschaftlicher Verbindlichkeit fungiert und symbolische Sinnwelten geschaffen. In der Moderne haben Nationalstaaten diese Funktion teilweise zu übernehmen versucht, mitunter gegen, aber auch mit den etablierten Religionsgemeinschaften und oft in Konkurrenz zu anderen säkularen Weltanschauungen, im kolonialen Kontext vielerorts in heftigen Konflikten mit etablierten Epistemen. Seit dem späten 20. Jahrhundert zeichnet sich auch infolge von Migration, digitaler Kommunikation und intensivierter kultureller Austauschprozesse und Dynamiken eine lokale Diversifikation und globale Diffusion von Epistemen ab, die nur noch teilweise mit traditioneller Religiosität, staatlichen Ideologien oder etablierten Wissens- und Werteordnungen assoziiert sind.

Die RA3 reagiert auf die Herausforderungen dieser neuen globalen Dynamik, indem sie Forschungen zu Systemen kognitiver, normativer und expressiver Orientierung – ausdrücklich auch in historischer und diachron vergleichender Perspektive – vorantreibt und zusammenführt, um diesbezügliche Wandlungsprozesse und Pfadabhängigkeiten identifizieren und beschreiben zu können. In der RA3 ist ein breites Fächerspektrum repräsentiert.

Dem Vorstand gehören Prof. Dr. Christoph Kleine (Religionswissenschaft) und Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr (Kulturwissenschaften) als Sprecher:innen sowie Prof. Dr. Dmitri van den Bersselaar (Afrikastudien), Prof. Dr. Klaus Fitschen (Kirchengeschichte), Dr. Nikolas Broy (Religionswissenschaft), Dr. Silke Guelker (Kulturwissenschaften) und Johannes Duschka (KFG „Multiple Secularities“) an, im Rahmen seiner Tätigkeit in der KFG koordiniert letzterer die Aktivitäten der RA3.

Die Kolleg-Forschungsgruppe "Multiple Secularities – Beyond the West, beyond Modernities" (FOR 2344) ist das größte drittmittelfinanzierte Verbundprojekt in der RA3. Unter Bezug auf das in Leipzig entwickelte Konzept der Multiple Secularities werden die verschiedenen Konstellationen von Religiösem und Säkularem untersucht. „Säkularität“ bezeichnet dabei konzeptuelle und institutionelle Unterscheidungen religiöser und nichtreligiöser Sphären und Praktiken ohne deren wechselseitige Konstituierung aus dem Blick zu verlieren. Die Arrangements von Säkularität werden sowohl für „westliche“ wie „nicht-westliche“, für moderne wie vormoderne Formen eingehend untersucht. Auch 2021 konnten trotz der pandemischen Lage insgesamt 17 internationale Fellows mit ihrer spezifischen Expertise in der KFG begrüßt werden. Zudem befindet sich ein 7-bändiges Sourcebook zu „Global Secularities“ in Vorbereitung. .

Die RA 4 verbindet sozial- und kulturwissenschaftliche mit historischen Perspektiven auf globale Dynamiken, die den Paradoxien entspringen, die sich daraus ergeben, dass Menschen einerseits als wirkmächtige Akteure auftreten, die Veränderungen ihrer Umwelt durchsetzen, und zugleich auch als Betroffene übermächtigen Naturprozessen ausgesetzt sind, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Der spezifische Fokus der RA 4 in diesem weiten Feld der Anthropozänforschung ist auf die Rolle von relativ kleinräumigen (und deshalb häufig sub-nationalen) Regionen als Arenen dieser globalen Dynamiken und Orte ihrer politischen und kulturellen Bearbeitung gerichtet. Im weltregionalen Vergleich wird in der RA 4 nach den Gründen für unterschiedliche Resilienz und Kreativität im Umgang mit dem Strukturwandel gefragt, der sich aus der Veränderung in der Verteilung und im Gebrauch von Ressourcen (etwa als Konsequenz der angestrebten Dekarbonisierung) ergibt. Dabei stehen Untersuchungen zur Transformation von Governance neben solchen, die die sozio-kulturellen Muster der Bewältigung globaler Herausforderungen beobachten und analysieren. RA 4 hat im Konzept des Forschungszentrums eine besondere Funktion als Brücke zur mitteldeutschen Forschung über Klima, Biodiversität und Gesundheit in den Natur- und Lebenswissenschaften.

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